5. Juli 2018

KI: Zukunftschancen für Forschung und Wirtschaft

Sie besiegen Weltmeister in Brettspielen, schneiden Filmtrailer für Hollywood und spielen Tischtennis: Künstliche Intelligenzen. Sie sind die Stars der größten IT-Messen und machen vor kaum einer Branche halt. Um von den Chancen der Zukunftstechnologie zu profitieren, sollten sich Forschungseinrichtungen, Betriebe und Start-ups jetzt mit der Technologie auseinandersetzen.

Die Künstliche Intelligenz (KI) – auf Englisch Artificial Intelligence (AI) – bezeichnet einen Versuch. Den Versuch, Computer so zu programmieren, dass sie ähnlich arbeiten wie das menschliche Gehirn. Die Maschinen sollen anhand großer Datenmengen Muster erkennen, Vorhersagen treffen, eigenständig Probleme bearbeiten und Wissen aus Erfahrung generieren, automatisch immer besser werden – ohne den Menschen als Lehrer. Eine Idee, die in der 1980er Jahren Science Fiction war.

1997 gab es dann einen Durchbruch, der die Öffentlichkeit aufrüttelte. Der Supercomputer Deep Blue von IBM schaffte es, den Schachweltmeister Garri Kasparov zu besiegen. 2016 ein weiterer Durchbruch. Die KI Alpha Go besiegte den Profispieler Lee Sedol im Go – ein asiatischen Brettspiel, das weit komplizierter ist als Schach und lange für eine KI als unknackbar galt. Und ein Jahr später sorgte Libratus für Schlagzeilen. Die Künstliche Intelligenz besiegte vier der weltbesten Pokerspieler; ein Spiel, das Intuition und die Kunst des Bluffs voraussetzt. Computer nähern sich den kognitiven Fähigkeiten des Menschen also immer weiter an.

Tischtennisroboter erkennt, wenn der Gegner wütend wird

Künstliche Intelligenzen können sogar Tischtennis spielen. Bewiesen hat das Omron auf der Hannover Messe 2018, der größten Industriemesse der Welt. Der vietnamesische Roboterhersteller hatte Forpheus im Gepäck – einen Tischtennisroboter auf drei Beinen. Ein Fünf-Achsen-Motorsystem aus einer Verpackungsmaschine bewegt den Schläger mit einer Genauigkeit von 0,1 mm. Wohin? Das berechnet die Künstliche Intelligenz. Ein Algorithmus analysiert 80 Mal pro Sekunde die Bilder der Kameras, die an den Seiten des Roboters montiert sind. Forpheus weiß daher unmittelbar nach dem Schlag des Gegners, wo der Ball landen wird und beginnt mit der Konterbewegung.

Der Tischtennisroboter Forpheus passt seine Spielstärke automatisch an das Niveau seines Gegners an (Bildquelle: Omron)

Und die KI kann noch mehr: Die Software analysiert die Spielstärke des Gegenübers, eine Gesichtserkennung erkennt den Gemütszustand. Zeigt sich ein Anfänger frustriert, spielt der Roboter einfache Bälle und blendet lobende Botschaften auf dem Display ein – etwa „Gut gemacht, weiter so!“. Gewinnt der Gegner an Selbstvertrauen, erhöht die KI Schritt für Schritt das Tempo. Dieses Verhalten beweist: Das Verhalten der KI-Maschinen wird flexibel, es passt sich dem Menschen an. Das hat übrigens auch Dimitrij Ovtcharov auf der Messe erfahren. Der deutsche Tischtennisspieler ukrainischer Herkunft, derzeit auf Platz Drei der Weltrangliste, forderte Forpheus zum Duell. Hier zeigten sich allerdings mechanische Grenzen. Seichten Ballwechseln war der Roboter gewachsen. Nicht aber Schmetterbällen, denn sie erreichen bis zu 180 km/h.

KI schneidet einen Filmtrailer für 20th Century Fox

Künstliche Intelligenzen haben auch den Weg nach Hollywood geschafft. Schauspielern können sie zwar nicht. Sie zeigen aber Begabung beim Schneiden von Filmen. Das hat 20th Century Fox bewiesen. Die Filmproduktionsgesellschaft hat den Supercomputer Watson von IBM vor eine Aufgabe gestellt: Aus dem Film „Das Morgan Projekt“ eigenständig einen 60 Sekunden langen Trailer zu schneiden. Wie die KI die passenden Szenen gefunden und kombiniert hat? Sie hat 100 Trailer von Horrorfilmen analysiert und Gesetzmäßigkeiten der Dramaturgie abgeleitet. Mit diesem Wissen hat sie zehn Sequenzen aus dem neuen Material ausgewählt und zu einem spannenden Trailer zusammengefügt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Wohl niemand würde vermuten, dass es sich um die Arbeit einer Software handelt. Das beweist: KI können nicht nur mit Zahlen umgehen. Sie verstehen Inhalte. Sie verstehen Zusammenhänge, erkennen Muster und Gesetzmäßigkeiten, sind in der Lage, dieses Wissen anzuwenden.

KI unterstützt Alexander Gerst auf der ISS

Cimon ist der erste autonome Astronauten-Assistent mit einer Künstlichen Intelligenz. Der fliegende Roboter unterstützt Alexander Gerst auf der ISS. (Bildquelle: Airbus)

Auch die Wissenschaft profitiert von der rasanten Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Prominentes Beispiel: Alexander Gerst. Der deutsche Raumfahrer flogt im Juni 2018 für sechs Monate zur Internationalen Raumstation ISS. Mit im Gepäck ist Cimon – der erste autonome Astronauten-Assistent mit einer Künstlichen Intelligenz. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat sich von Professor Simon Wright aus der Zeichentrickserie „Captain Future“ inspirieren lassen, dem fliegenden Gehirn mit Sensoren, Kameras und einem Sprachprozessor. Auch Cimon hat all diese Dinge an Bord. Der Vorteil für die Astronauten: Sie haben bei Reparaturarbeiten stets beide Hände frei – müssen weder einen Computer bedienen, noch Bedienungsanleitungen wälzen. Cimon schwebt mit einem propellerartigen Antrieb an ihnen vorbei und zeigt auf seinem Display auf Zuruf alle Baupläne und Ablaufprozeduren an. Alternativ kann er mit einer Computerstimme vorlesen. Witziger Fakt am Rande: Alexander Gerst durfte mitentscheiden, welche Stimme und welches Bildschirmgesicht Cimon bekommt. Sympathie scheint eine Rolle zu spielen, wenn Maschinen intelligenter werden und die Interaktion mit Menschen zunimmt.

Universitäten, Institute und Forschungseinrichtungen sollten frühzeitig Pilotprojekte starten

Auch immer mehr Unternehmen, Universitäten, Forschungseinrichtungen und Start-ups nutzen die Künstliche Intelligenz, die unter anderem Supercomputer wie CS-Storm 500 GT von Cray oder Watson von IBM zur Verfügung stellen. Die KI arbeiten in digitalen Assistenten und Bots, übernehmen Übersetzungs- und Transkriptionsaufgaben, sind das Herzstück des autonomen Fahrens. Die KI führen im Handel zudem Abverkaufsprognosen durch, optimieren Lieferketten, reduzieren die Lagerhaltungskosten somit um bis zu 50 Prozent. In der Industrie analysieren die intelligenten Softwareprogramme mit Sensoren den Zustand von Anlagen, sodass Techniker Verschleißteile frühzeitig austauschen können. Das verbessert die Anlagennutzung um bis zu 20 Prozent, so eine aktuelle Studie von McKinsey. Die Beraterfirma ist überzeugt: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands wird dank der KI bis zum Jahr 2030 um 160 Milliarden Euro steigen (4 Prozent) – den frühen und konsequenten Einsatz intelligenter Roboter und selbstlernender Computer vorausgesetzt. Die Experten raten daher: Institute und Betriebe sollten schon jetzt interne KI-Kompetenzen aufbauen und mit spezialisierten Drittanbietern zusammenarbeiten. Sie sollten kleine Pilotprojekte auf den Weg bringen. Dafür seien keine riesigen Investitionen notwendig, wohl aber Agilität.

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